Er ist Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland – Heinrich Bedford-Strohm (Foto: epd/mck), der in der Debatte um Flucht und Migration eine klare Haltung zeigt, hat einen Beitrag für unser Buch geschrieben:
Seit Jahren wird fast an jedem Tag davon berichtet, dass Menschen unter Lebensgefahr auf der Flucht nach Europa sind, die oft mit dem Tod endet. Menschen fliehen aus Kriegsgebieten, vor Hunger, vor politischer und religiöser Verfolgung oder weil sie in ihrem Land keine Perspektive für sich und ihre Kinder sehen. Viele von ihnen sterben auf dem Mittelmeer, aber wir wissen vielfach weder ihre Namen noch ihre Geschichte, noch, wie sie gestorben sind. All das geschieht unbeobachtet, jenseits der medialen Berichterstattung.
Das Buch, das Sie in Ihren Händen halten, veröffentlicht die Liste der belegten Todesfälle sowie Namen von Geflüchteten, deren Identität wir kennen. Die Namen und die kurzen Porträtgeschichten Einzelner stehen stellvertretend für all jene Menschen, die fliehen mussten und die dabei ums Leben gekommen sind.
Auch wenn diese Liste der Namen nicht vollständig sein kann, so vertrauen wir als Christinnen und Christen darauf, dass Gott jeden Namen kennt, dass er um jedes Schicksal weiß und dass die Toten nun in seiner Gegenwart sicher und geborgen sind. Keiner ist bei ihm vergessen – Gott ist im Leben und im Tod bei jedem von uns, und wir haben die Hoffnung auf eine Herrlichkeit bei ihm, in der alle Tränen abgewischt sind. Sowohl das Alte als auch das Neue Testament sprechen davon, dass der Tod nicht das letzte Wort haben wird:
„Er wird den Tod verschlingen auf ewig. Und Gott der HERR wird die Tränen von allen Angesichtern abwischen und wird aufheben die Schmach seines Volks in allen Landen; denn der HERR hat’s gesagt.“ (Jesaja 25,8)
„Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“ (Offenbarung 21,3-4)
Als Christenmensch trägt mich die Hoffnung auf eine neue Welt ohne Leid. Aber diese Hoffnung gibt mir und vielen anderen Menschen auch Kraft für diese Welt. Es gilt sich zu engagieren und der tagtäglichen Tragödie auf dem Mittelmeer Einhalt zu gebieten. Denn die Geflüchteten sind Opfer einer Politik, die wir mitverantworten. Unser Verantwortungshorizont endet nicht an den deutschen oder europäischen Grenzen. Die Men- schenrechte gelten überall. Und sie erfordern überall unseren Einsatz. Mitmenschlichkeit kennt keine Nationalität, sie kennt keine geographi- schen Grenzen. Daher fordere ich alle politisch Verantwortlichen in unserem Land und auf unserem Kontinent und uns alle auf: Schauen wir nicht länger zu, wie Menschen grausam auf dem Mittelmeer sterben, sondern handeln wir endlich und sprechen über Lösungen, wie Menschenleben gerettet und geschützt werden können.
Ich freue mich über das zivilgesellschaftliche Engagement, das es bereits gibt: Die Aktion Seebrücke hat bundesweit über den ganzen Sommer dieses Jahres zehntausende Menschen mobilisiert. Die Seenotrettungsorganisationen lassen sich nicht unterkriegen und versuchen nach Kräften zu helfen. Seenotrettung ist eine christliche und humanitäre Pflicht!
Ich freue mich auch über alle, die in ihrem Umfeld den Dialog führen, damit wir in unserer pluralen Gesellschaft friedlich zusammenleben können. Dabei muss die Würde der Gesprächspartner wie auch der Geflüchteten, über die debattiert wird, unbedingt geachtet werden. Es braucht eine differenzierte und von gegenseitigem Respekt getragene Sprache, die Menschen immer als das sieht, was sie sind, nämlich Menschen.
Und als Christinnen und Christen können wir ergänzen: Sie sind Gottes geliebte Geschöpfe und seine kostbaren Ebenbilder. Und weil Gottes Liebe global ist, müssen Menschen, die bedroht sind, auch wirklich Schutz finden, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Religion oder ihrer politischen Überzeugung. Die Rettung von Menschen in Lebensgefahr muss über alles andere gestellt werden. Ein Rechtsstaat, der seinen Namen verdient, muss hier klare Signale geben.
Ich hoffe, dass durch dieses Buch viele Leserinnen und Leser in ihrem Engagement für Menschen auf der Flucht bestärkt werden oder anfangen, sich für Geflüchtete einzusetzen, und ich hoffe, dass die Politik sich von dem Leiden dieser vielen tausend Menschen wachrütteln lässt und ihre Verantwortung wahrnimmt, Menschenleben zu schützen.