Mahbuba Elham Maqsoodi, Künstlerin, wurde in einem afghanischen Dorf geboren. Sie studierte Kunst in der ehemaligen Sowjetunion und lebt seit 1994 in Deutschland. Sie ist Vorsitzende des Vereins „Afghanische Frauen in München“, den sie 2003 gegründet hat. Im September 2017 erschien ihr autobiographisches Buch „Der Tropfen weiß nichts vom Meer“. Sie hat uns diesen Text geschrieben – in deutscher und persischer Sprache:
Unser fabelhafter Planet hat seine Größe immer behalten, aber er erscheint uns heute so klein. Die Entfernungen sind noch genauso groß, aber die Bilder vom anderen Ende der Welt erreichen uns in wenigen Sekunden und wir wissen genau, was dort passiert.
Wie die glänzenden Fluten in all ihrer Kraft ausbrechen und dabei alles, was sie wollen, verschlingen. Wie die Flammen aus dem Herzen der Erde auflodern und dabei so schön sind, dass man sich in ihr Feuer verlieben kann. Aber die Asche und das giftige Gas können den Atem in einem anderen Winkel der Erde ersticken. So, dass an einem Ende der Welt die Eisvögel zu Tode erstarren und am anderen Ende der Staub der Asche den Pflanzen Leben schenkt. Alles hängt mit allem zusammen, auch wenn wir nicht imstande sind, es zu sehen.
Wenn früher die Schiffe mit afrikanischen Menschen als Sklaven beladen wurden, deren Wunsch nach Freiheit ein bloßer Wunsch blieb, und nur eine Sturmflut sie für immer befreien konnte, da wussten die wenigsten von ihrem Schicksal. Sie wussten auch nicht, wenn ein Machthaber mit seinem scharfen Schwert tausende Menschen in den Tod schickte. Jetzt aber wissen wir davon aus den Geschichtsbüchern und wir wissen auch, dass viele Zeitgenossen es damals nicht wissen konnten.
Das Bild, das wir uns von der Welt machen, hat sich durch die digitale Entwicklung verändert. Jeden Tag erreichen uns Szenen einer neuen Form der Sklaverei. Niemand muss sich noch auf die Suche nach einem Sklaven begeben – wir können tagtäglich hunderte angeblich freie Menschen dabei beobachten, wie sie ihr Leben vor der Brutalität und Zerstörung des Krieges, vor Vergewaltigung, Folter und Hinrichtung oder vor dem menschgemachten Wandel des Klimas zu schützen versuchen.
Dieses Buch kann für die Augen und das Herz der Menschen, die davon wenig wissen wollen, wie ein Licht in der Dunkelheit sein. Sie sollen davon erfahren und sich bemühen, die Schmerzen der Menschheit zu lindern. Der Mensch hat die kreative Fähigkeit, diese Probleme zu lösen, als Geschenk Gottes erhalten. Wir müssen es annehmen.