Ihnen ihre Individualität zurückzugeben heißt sie zu respektieren: Nasrin Siege, Schriftstellerin

Nasrin Siege ist eine deutsch-iranische Schriftstellerin, Psychotherapeutin und Entwicklungshelferin.

Im Alter von acht Jahren kam sie mit ihrer Familie nach Deutschland, ging in Hamburg und Flensburg zur Schule und studierte Psychologie in Kiel. Nach dem Studium arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Stuttgart-Sonnenberg und danach als Psychotherapeutin in einer Suchtklinik in der Nähe von Frankfurt am Main. Von 1983 bis 2016 lebte sie mit ihrer Familie – mit kurzen Unterbrechungen in Deutschland – in Tansania, Sambia, wieder Tansania, Madagaskar und Äthiopien. In Dar-es-Salaam, wo sie von 1993 bis 2003 lebte, engagierte sie sich aktiv in verschiedenen Straßenkinderprojekten. Die tägliche Not der Kinder und die Bemühungen der Projekt-Mitarbeiter diese zu lindern, veranlasste sie 1996, mit Freunden den Verein „Hilfe für Afrika e.V.“ zu gründen. Dank der Solidarität und Spenden aus aller Welt unterstützt der Verein bis heute zahlreiche weitere Projekte in mehreren Ländern Afrikas.

Nasrin Siege schreibt für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Ihre Bücher handeln von Kindern und Kindheit in Afrika: „Meine Leserinnen und Leser sollen sich auf eine Reise in die Fremde machen, das ihnen Vertraute entdecken und sich das Fremde vertraut machen.“

Nasrin Siege lebt seit Oktober 2016 wieder in Deutschland. Sie hat uns diesen Text geschickt:

Todesursache: Flucht – ein Buchprojekt, das ich von ganzem Herzen unterstütze. Es ist ein Buch gegen das Vergessen und für Menschlichkeit. Es handelt von Menschen, die auf der Flucht nach Europa mit dem Wunsch nach Frieden, Sicherheit und Freiheit ihr Leben verloren haben.
In Statistiken zusammengefasst werden sie ihrer Einzigartigkeit beraubt. Ihre Namen zu nennen, das heißt, die Frau, den Mann, das Kind zu sehen, das auf der Flucht gestorben ist; ihnen ihre Individualität zurückzugeben heißt sie zu achten, zu respektieren, zu würdigen. Den Menschen zuzuhören, die die Flucht überlebt haben, heißt auch, diejenigen, die uns ihre Geschichten nicht mehr erzählen können, zu sehen und ihren vermeidbaren Tod zu betrauern. Sie alle – die Toten und die Überlebenden – ermahnen uns gegen eine unmenschliche Politik anzugehen, die den Tod von Menschen auf der Flucht in Kauf nimmt; eine Politik, die sich an der von Rechtspopulisten geschürten Angst vor Flüchtlingen und deren Entmenschlichung orientiert.
Auch dafür steht dieses Buch – dass wir nur dann unsere Menschlichkeit bewahren, wenn wir Menschen, die in Not sind, nicht abweisen, sondern aufnehmen.