Mein Freund Zaki – Ruben Schenzle, Freie Universität Berlin

Ruben Schenzle ist Mitarbeiter am Seminar für Semitistik und Arabistik der Freien Universität Berlin. Er ist Beauftragter für die allgemeine Berufsvorbereitung und stellvertretender Beauftragter für Bachelor-Studierende. Neben seiner Arbeit an der Universität engagiert er sich im Rahmen des von ihm mitbegründeten Netzwerks für Gute Arbeit in der Wissenschaft.

Kristina und Ruben haben sich 2013 in der Redaktion des Nahost-Magazins „zenith“ kennen und schätzen gelernt. Seitdem weiß sie: Ruben ist ein begnadeter Übersetzer und Autor.

Wir danken Dir von Herzen, Ruben, dass Du das für uns aufgeschrieben hast.

Mein Name ist Nur Zakaria Adam. Mein Weg nach Deutschland war ein weiter. Rufe ich mir diesen Lebensweg in mein Gedächtnis zurück, ist mir, als wäre mein Leben hier bereits das fünfte.“

Mit diesen Worten begann mein Freund Zaki seine Geschichte. Das war im Jahr 2012. Wir hatten uns kurz zuvor kennengelernt und den Entschluss gefasst, seine Erinnerungen gemeinsam zu Papier zu bringen. Doch blieb seine Biographie unvollendet.

Zaki stammte aus dem Westen des Sudan. Seine Heimat Darfur war ab 2003 Schauplatz blutiger ethnischer Säuberungen, die ihn als 15-Jährigen zur Flucht gen Norden zwangen. Jede Station auf seiner Flucht durch die libysche Wüste nach Tripolis, über das Mittelmeer nach Malta und schließlich Berlin kam ihm rückblickend wie ein für sich abgeschlossenes Leben vor.

Einmal erinnerte er sich:

Lausche ich heutzutage an den ersten Frühlingstagen dem Gezwitscher der heimkehrenden Zugvögel nach Deutschland, schließe ich die Augen und male mir den Weg aus, den sie im Fluge zurückgelegt haben. Es ist dasselbe Gezwitscher, das in den Monaten von September bis Dezember bei uns im Sudan zu hören war. Wenn ein Vögelchen in einem Baum saß, legte ich mich in seinen Schatten, schloss die Augen und der Gesang des Vogels trug mich in den Schlaf. So träume ich auch heute noch, wenn der Frühling anbricht.“

Auch wenn unsere Gespräche immer wieder an schlimme Erfahrungen rührten, überwog eine unbezwingbare Hoffnung. Zaki war regelrecht getrieben von dem Wunsch nach Bildung, davon, als Erster in seiner Familie eine Ausbildung zu genießen. Und es schien, als wäre er nun endlich an einem Ort angekommen, wo er einen Platz für sich finden würde.

Am Ende ging es viel schneller und kam ganz anders. Mit zwei Freunden begleitete ich Zaki Ende September 2013 zur Ausländerbehörde: als seelische Stütze, um die Verlängerung seines Aufenthaltstitels in Empfang zu nehmen. Zutiefst aufgewühlt, in Sorge und schlaflos hatte Zaki diesem Tag entgegengefiebert – sollte sich anhand der befristeten Dauer dieses Bescheids doch entscheiden, ob er sich überhaupt für eine dreijährige Ausbildung würde bewerben können. An jenem Tag erhielt er drei weitere Jahre. Ein echter Erfolg, und Frustration und Stress der vergangenen Wochen und Tage fielen uns wie Steine vom Herzen.

Doch Zakis Herz war vorbelastet. Genau einen Tag nach der großen Erleichterung bei der Ausländerbehörde brach er zusammen. Länger als einen Monat lag er im Koma. Am 7. November 2013 starb Zaki im Berliner Virchow-Klinikum, wohl an den Folgen eines unerkannten Herzfehlers. Er, der die aufzehrende Flucht aus dem Westen des Sudans durch die libysche Wüste und über das Mittelmeer überstanden hatte, hielt der wahllosen Anwendung des hiesigen Asylrechts nicht stand. Zaki wurde 25 Jahre alt.

Nach nunmehr fünf Jahren erzähle ich hier zum ersten Mal von Zaki und seinem Leben. Auch wenn ich viel an ihn denke und an dem persönlichen Verlust trage, sehe ich in seinem Schicksal auch eine universelle zeitlose Mahnung: Es ist nicht das Meer, sind nicht die Grenzen allein, die töten. Es sind auch unsere Gesetze, die den Menschen keine Sicherheit geben, und sie hier zu Tode verzweifeln lassen.