„Sie sprachen mit ihr den ganzen langen Weg über“ – Fatim Jawara (Porträt aus dem Buch)

Von Anja Tuckermann

Fatim Jawara, geboren am 10. März 1997 in Serrekunda (Kanifing Municipal) in Gambia, ist am 27. Oktober 2016 im Mittelmeer auf dem Weg von Libyen nach Italien ertrunken. Sie stand schon mit 17 Jahren für die gambische Fußballnationalmannschaft der Frauen im Tor.

Als kleines Mädchen spielte Fatim Jawara mit den Jungen Fußball. Später in einem Spitzenverein des gambischen Frauenfußballs in ihrer Heimatstadt Serrekunda, bei den Red Skorpions. Dort stieg sie mit 15 Jahren in die Seniorinnenmannschaft auf. Bis zum Herbst 2016 stand sie für den Verein im Tor, wurde aber wie alle Spielerinnen nicht bezahlt. Zeitweise war sie an Mannschaften im Senegal und in Marokko ausgeliehen. Mit der gambischen U-17-Nationalmannschaft nahm sie an der U-17-Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen 2012 in Aserbaidschan als Ersatzspielerin teil, mit der gambischen Nationalmannschaft der Frauen spielte sie gut drei Jahre später in einem Freundschaftsspiel in Schottland gegen die Frauen von Glasgow City und hielt einen Elfmeter.
Ende September 2016 dann verließ Fatima Jawara Gambia. Sie ging den „Back Way“, die Fluchtroute nach Norden – wie Tausende andere Gambier – durch mehrere Länder, die Sahara, Libyen und über das Mittelmeer. Auf dem Weg hielt sie Kontakt zu ihrer Familie. In einem ihrer letzten Gespräche flehte ihre Familie sie an zurückzukommen. Aber Fatim Jawara war entschlossen – für sie gab es keinen Weg zurück, egal wie hoch das Risiko war. Sie hatte den gefährlichen Weg auf sich genommen, sie wollte ihrer Familie helfen und im Leben weiterkommen und für einen großen europäischen Fußballverein spielen. Und wie alle Flüchtlinge wusste auch sie, dass sie unterwegs ihr Leben verlieren könnte. Ihre Familie konnte sie nicht zurückholen.
“Sie sprachen mit ihr mitten in der Wüste, den ganzen langen Weg über. Sie baten sie, die Reise abzubrechen, aber sie sagte, sie wollte weitergehen und ihrem Schicksal folgen“, sagte später Sainey Sissoho, eine Vereinskollegin.
Ende Oktober schließlich befand sich Fatim Jawara auf einem von zwei Booten, die Tripolis in Richtung Lampedusa verließen. Die Boote gerieten in Seenot und mit den anderen Insassen ertrank Fatim Jawara. Die Vereinten Nationen vermuten, dass in diesen beiden Booten 239 Menschen gestorben sind. Eine Sprecherin des UNHCR sagte, zwei Überlebende hätten in Lampedusa die Tragödie bezeugt. Fatim Jawaras Familie erfuhr erst einige Tage später durch ihren Agenten von ihrem Tod.
“Fatim war wie viele andere junge Fußballspieler hier. Sie kam aus armen Verhältnissen wie die meisten Gambier. Jeder kennt die Stars, die in den europäischen Vereinen Millionen verdienen. Diese jungen Leute wollen einfach nur ihre Familien versorgen so wie sie auch. Also riskieren sie den Back Way. Manche schaffen es, manche nicht. Sie hat ihn nicht geschafft und das ist eine Tragödie und ein großer Verlust für den gambischen Fußball“, sagte Ebou Faye, Vizepräsident der Gambia’s Football Federation.